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Ada Diekmann
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Weitere Leseproben am Ende des Buchauszuges.
Über die Autroin M.M. kaye
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Palast der Winde (1978)
Mary Margaret Kaye


Cover Palast der Winde - M.M. Kaye Vom Fuß der Mauer bis hinunter zum Plateau waren es nicht mehr als zweihundert Meter, doch brauchte Ash beinahe eine ganze Stunde, um diese Entfernung zu bewältigen. Einmal geriet er auf glatten Schiefer und brauchte eine Weile, bis er Halt fand und wieder sicheren Grund unter den Füßen spürte. Danach bewegte er sich noch vorsichtiger und kam endlich, wenn auch außer Atem und zerkratzt, samt seinem Bündel auf ebenes Gelände.

Über sich erblickte er die steil aufragende Burgmauer und die dunkle Masse des Pfauenturmes. Der Balkon war nicht mehr sichtbar, er lag im Schatten, und Ash wusste, dass jetzt niemand mehr dort war. Möglich, dass fortan keiner mehr hingehen würde, ausgenommen vielleicht Juli, einer sentimentalen Regung folgend. Doch glaubte er nicht, dass sie es oft tun würde. Schließlich war sie ein Kind, sie würde bald vergessen, und keiner würde mehr den Weg zum Balkon kennen, wie ja auch vor ihm und Juli niemand von dem Balkon gewusst hatte.

Alles würde sich verändern. Lalyi würde zum Manne heranreifen, das Tanzmädchen alt und feist werden, ihre Reize und damit ihre Macht verlieren, Koda Dad würde sich zur Ruhe setzen und jemand anderer sein Amt übernehmen. Auch Hira Lal würde alt werden, der Radscha eines Tages sterben und Lalji Herrscher über Gulkote werden. Einzig der Palast der Winde würde unverändert bleiben, Monate, Jahre, Jahrhunderte mochten vergehen, und wenn die Stadt und die Festung längst zerfallen waren, würde der Palast der Winde immer noch stehen, unverändert, unveränderlich.

Ash kniete auf dem felsigen Grund hin und neigte sich ein letztes Mal vor dem Gipfelkranz, berührte mit der Stirn den Boden, wie Koda Dad, wenn er zu Alah betete. Dann erhob er sich, warf sein Bündel über die Schulter und wanderte durch das vom Mond erhellte Land zu dem Hain außerhalb der Stadt.

Sita war zur Stelle, und Hira Lal enttäuschte ihn nicht. Im Schatten, wo Sita angstvoll wartet, sah Ash ein kräftiges Pferd aus heimischer Zucht. Sita hatte am Nachmittag im Basar Kleidung und Nahrung gekauft und zu einem schweren Bündel verschnürt.

Das Pferd wurde von einem Fremden gehalten, der Ash jetzt das Päckchen in die Hand drückte und sagte: „Das schickt dir Hilra Lal. Er meint, du könntest auf deiner Reise Geld brauchen. Das Tier ist wertvoller als es aussieht“, fuhr er fort und zog den Sattelgurt fest. „Es schafft viele Meilen an einem Tag und du kannst es zwei, drei Stunden hintereinander traben lassen, denn es ist gewöhnt einen leichten Wagen zu ziehen und ermüdet nicht leicht.

Am besten nimmst du diesen Weg-„ er kniete hin und zeichnete mit dem Zeigefinger eine Landkarte in den Staub. „Über den Fluss führt keine Brücke, und die Fähre zu benutzen, ist für dich nicht ratsam. Aber hier, weiter im Süden, setzt eine kleine Fähre über, die nur die Einheimischen kennen. Auch am anderen Ufer musst du noch vorsichtig sein, denn Hira Lal sagt, die Rani wird dich auch über die Grenzen von Golkote hinaus verfolgen lassen. Die Götter mögen euch schützen, reitet rasch.“ Als Ash die Zügel nahm, gab der Fremde dem Tier einen Klaps auf das Hinterteil.

Es war für Ash sehr von Vorteil, dass er nicht nur einen guten Blick für die Beschaffenheit des Geländes hatte, sondern auch häufig mit Lalji, dem Radscha und Koda Dad auf die Jagd geritten war. Er kannte die Gegend; andernfalls hätte er sich im Laufe der Nacht gewiss ein Dutzend Mal verirrt. Beim Mondschein fiel es ihm so nicht schwer, der Richtung zu folgen, die der Mann ihm gewiesen hatte. Als es zu tagen begann, gewahrte er an einem Abhang einen aus Steinen gebildeten Kreis. Hier hatte der Radscha einstmals in Ashs Beisein einen Leoparden erlegt. Sie waren also auf dem richtigen Weg!

Die Aufregung des vergangenen Tages hatte Sita schwer mitgenommen. Hinter ihm sitzend, schlummerte sie fest, den Kopf an seine Schulter gelehnt und mit dem Tuch eines Turbans an ihn gebunden, damit sie nicht vom Pferd fiel. Als sie endlich beim ersten Morgenlicht erwachte, wurde in der Ferne zwischen zwei Hügeln der Fluss sichtbar. Sita bestand darauf, das Morgenmahl einzunehmen, bevor sie auf die Fähre ritten, denn es würde nur Verdacht erwecken, wenn sie ungeduldig zu früher Stunde darauf warteten, übergesetzt zu werden.

„Und weil man gewiss bei allen Leuten in der Umgebung herumfragen wird, ob uns jemand gesehen hat, verkleiden wir dich als Mädchen, mein Sohn,“ fuhr sie fort. „Unsere Verfolger werden nach einem Knaben und einer alten Frau suchen, die zu Fuß unterwegs sind, nicht nach zwei berittenen Frauen.“

-------------------- Ende Leseprobe: Palast der Winde von © M.M. Kaye --------------------

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