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  20. Oktober 2008
Graf Battistello von Luang Prabang
der dreizehnte Brief

Meine liebe Freundin Claire

Die Jahre eilten dahin und haben mich hin und her geworfen. Ich habe den Abschied so bitter gelernt, wie ich nie dachte dass es möglich sei. Er kam in vielfacher Gestalt und forderte alles und ich behielt nichts zurück. So verschwand ich hinter einem Vorhang, der mich verbarg bis ich mich wieder ans Licht wagte. Freilich dachte ich, nein, glaubte ich nicht daran dass ich jemals wieder hinter dem Vorhang hervor kommen würde. Doch hier bin ich und schreibe an sie meine geliebte Freundin. Dies - schreiben an sie - ist eines der ersten Dinge die ich bewusst tun möchte. Als es mir langsam besser ging und der Schmerz seine Schärfe verlor, dachte ich wieder Worte. Worte die sich zu einem Brief formten, obgleich nie abgeschickt und nur hinter geschlossenen Lidern geschrieben, sollen sie wissen das er an sie gerichtet war, dieser erste ungeschriebene Brief.

Den Menschen um mich schien es anfangs sehr schwer zu fallen meinen Wunsch in einem Versteck zu leben, zu respektieren. Man müsse sich ablenken, unter Menschen gehen und was sie sonst mir noch alles rieten. Ich vertraute allein auf meinen Starrsinn. Und riss den Einen oder anderen lieben Menschen mit hinab. Doch zum Glück hatte mein eigener Schmerz mich auch blind gemacht! Ich hätte es nicht auch noch ertragen, wäre ich sehend gewesen.

So viele sind gestorben und nicht mehr da! Ein ungerechter Gott hat mir so viele Menschen gelichzeitig genommen. In Kriegszeiten wären diese Verluste „normal“. Was schreib ich da, die Worte Krieg und normal in einem einzigen Zusammenhang, nichts kann so weit auseinander liegen und so entfremdet sein wie diese beiden Worte. Nichts an einem Krieg ist normal!

Ein wenig hölzern kommen meine Gedanken noch daher, sie haben sich so lange um nur einen einzigen Punkt gedreht, das sie so sehr daran gewöhnt sind an der Leine zu gehen, nichts anderes mehr können. Haben sie Geduld mit ihnen und nehmen sie meine spelzigen Gedanken an. Sie werden wieder gelenkig, in dem Masse in dem ich der Welt erlaube wieder auf mich ein zu strömen.

Gustav mein lieber Diener hat mich durch die ganze Zeit begleitet, wenn sie ihr Herz beschweren möchten, ich habe ihm erlaubt zu ihnen zu reden, wenn sie es wünschen. Es war nie meine Art mich in allem zu zeigen, am aller wenigsten in meinem Schmerz. So wird es auch diesmal sein. Glauben sie nicht es sei schwer den Dialog wieder aufzunehmen, ohne genaue Kenntnis der Geschehnisse zu haben! Der Schmerz hat mich nicht ausgehölt, ich bin der den sie kennen nur mit einem Verlies im Herzen, dessen Tore jetzt geschlossen sind. Lediglich mein Bewusstsein wird lernen müssen es zu Zeiten zu ignorieren und es wird leichter werden, mit jedem kommenden Tag, so wie meine Gedanken ihre Elastizität wieder erlangen werden.

Es gibt Menschen die müssen reden, über das was sie bedrückt, ich ziehe es vor über das zu reden womit ich mich beschäftigen möchte. Nennen sie es nicht Flucht, von dort komme ich gerade!

Ihr ergebener Freund
Graf Battistello von Luang Prabang




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Graf Battistello von Luang Prabang schreibt seit 2002, seine nachdenklichen Briefe an Claire.
Die meiste Zeit lebt er in Berlin, in einer großzügigen Stadtvilla.
Alle Briefe an Claire findet der geneigte Leser, die geneigte Leserin hier: [...klicken...]