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  20. Februar 2005
Graf Battistello von Luang Prabang
der elfte  Brief

Meine liebe Freundin Claire

Ihre Schritte hallen noch durch die Bibliothek. Ihr Glas aus dem sie tranken und das jetzt ihre Lippen bewahrt steht noch immer auf dem Rauchtisch vor dem Kamin. Ich habe mir eine Pfeife angezündet und der Duft des Tabaks, denn sie so sehr mögen, schließt mich ein und wandert hin zum Kerzenleuchter, dort wird der Rauch gefangen gehalten. Meine Gedanken halten sich nicht lange an diesem blauen Rauch fest und treten mit ihm jene Reise an, die Gedanken in besonderen Stunden beginnen. Sie haben mir mit ihrem erneuten Besuch eine große Freude bereitet.
Wie nur wenige Menschen scheuen sie das Flugzeug. Die Seele muss Zeit haben um anzukommen. Den Wechsel der Landschaft verfolgen. Aus dem Zugfenster schauen können und kleine Bilder einfangen, wieder vergessen, oder bewahren, länger als einen Augenblick. Unser Leben ist ein einziger langer Augenblick, das haben sie sehr schön gesagt. Seit dem gestehe ich dem Augenblick mehr Aufmerksamkeit zu, als ich es ohnehin schon tat. Darin sind wir uns ähnlich. Nur meine Liebe Claire geht noch einen Schritt weiter, in dem sie der Hektik eine Abfuhr erteilt und langsam reist, so wie unsere Gedanken oft seltsam im Kreise gefangen sind. Nur die Zugfahrerin erfährt ein stetiges Vorankommen. Der Schnee, den wir in unseren Kindertagen so sanft aus dem Himmel fallen sahen und der uns das Tempo für unsere Gedanken vorgab, er ist nicht mehr. Die dicken Flocken sind Erinnerung. Wo aber sollen wir unsere Gedanken besänftigen, wenn wir immer nur eilen und mit dem Flugzeug unsere Ziele erfliegen? Mit dem Koffer in der Hand ein Taxi besteigen und in einem Hotelzimmer hastig besitzt ergreifen von dem Schrank und den Schubladen. Nicht einen Blick aus dem Fenster werfen, weil wir an diesem fremden Zielort schon einen Termin haben. Auch die Verabredungen sind mit den dicken Flocken dahin. Wir reisen von Termin zu Termin. Fliegend erinnere ich mich vor Ort nut an den Namen der Stadt, dass Aussehen meines Geschäftspartners verflüchtigt sich schon kurz nach seinem Besuch und dem erfolgreichen Abschluss einer Transaktion. Rom beschränkt sich auf die Taxifahrt zum Hotel.
New York, eine unendlich lange Taxifahrt und die Zeit dort so beschränkt, dass ich es nicht einmal schaffte Christos Instalation im Central Park zu sehen. Dabei hatte ich mir den Luxus geleistet mich darauf zu freuen. Ich war schon an vielen Orten der Welt, ohne je dort gewesen zu sein!
Ich habe meine Rechtfertigungen: Das Stadthaus in Berlin verschlingt eine Menge Geld.
Gustav mein stiller Gehilfe hat eine Frau zu ernähren.
Auf meinem Landsitz fallen Kosten an, auch wenn ich nicht da bin.
Meine Familie in Luang Prabang hat Forderungen an mich, auch wenn sie lächerlich gering sind.
Meine Rechtfertigungen halten ihnen nicht stand, sie schmelzen dahin, ohne dass sie viel sagen müssen. Ein Blick aus ihren grünen Augen genügt.
So besänftige ich meine Gedanken, auf den Inseln, die die Freundschaft uns manchmal unerwartet schenkt. Deshalb ihr Glas auf dem Rauchtisch, bis Morgen, heute Abend will ich mich erinnern, still halten und dankbar dafür sein dass sie hier waren und mit mir in diesem Raum laut gedacht haben.

Ihr ergebener Freund
Graf Battistello von Luang Prabang




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Graf Battistello von Luang Prabang schreibt seit 2002, seine nachdenklichen Briefe an Claire.
Die meiste Zeit lebt er in Berlin, in einer großzügigen Stadtvilla.
Alle Briefe an Claire findet der geneigte Leser, die geneigte Leserin hier: [...klicken...]