11. September 2001
Versuch über die Individualität

Die Dinge haben keine Macht, wir haben es zugelassen das die Dinge Macht haben über uns. Ihre Macht besteht darin, dass wir von vielem Abhängig sind. Abhängigkeiten lassen uns machtlos zurück. Wir werden zum Spielball und bemerken es nicht, weil alle mitmachen und so unser Blick getrübt ist. Individualismus gibt es nicht.
Die Statistiken und zahlen beweisen es. Durch ein grobes Sieb passen wir also alle.
Durch ein grobes Sieb, bei dem die Maschen beispielsweise, Singel mit eigenem Haushalt heißen, oder Familie mit drei Kindern, oder seit einem Jahr arbeitslos, oder getrennt lebend. Enger werden die Maschen, in dem man sie noch genauer benennt, nämlich in Singel, arbeitslos seit vier Monaten, mit eigenem Haushalt, oder Mann mit drei Kindern, seit einem Jahr getrennt lebend.
Ab wann ist das eigene Schicksal individuell?
Wenn man beispielsweise in Deutschland eine von 25.000 allein erziehenden Müttern ist?
Oder einer der 5 Millionen Arbeitslosen?
Es kommt immer auf den Standpunkt an, von dem aus man die Sache betrachtet.
5 Millionen Arbeitslose sind schlimm, aber schnell vergessen, solange man nicht dazu gehört. Alleinerziehende Mütter haben es auch nicht leicht, dass wissen jetzt auch viel mehr, als noch vor einigen Jahren. Weil ein paar von ihnen es satt hatten und nicht mehr geschwiegen haben. Individualistinnen hätten sich nicht zusammen gefunden, keine Betreuungsräume für Kleinkinder geschaffen. Hätten sie nicht?
Egal welches Schicksal, es wird nicht leichter dadurch, dass man weiss Eine von 25.000 oder Eine von
5 Millionen zu sein, davon kommt auch keine Butter aufs Brot, auch nicht sehr individuell.
Etwa die Hälfte aller Deutschen ißt ihr Brot mir Butter, der Rest teilt sich auf zwischen Magarine und weder das Eine, noch das Andere auf´s Brot Schmierer.
Machen die verschiedenen Gruppen zu denen man sich zugehörig fühlt, einen individueller. Sortieren, einordnen, auch Menschen, in Schubladen. Welche Schublade wäre die Leere?
Und was ist mit Menschen die gleich in mehrer Schubladen gehören, so wie das auf uns alle wohl zutrifft. Es wäre einfacher wenn man nur Schwarz und Weiss hätte, Gut und Böse, so wie uns das Fernsehen immer wieder gerne erzählt. Eine gerechte Welt, in der der Böse am Ende immer hinter Gittern, oder Tot ist. Schön und einfach, zuverlässig.
Einfacher und langweiliger, berechenbar und glatt.
Wie die Playboymädels, die seit mindestens 1972 die gleichen Idealmaße haben. Was dem Vater gefällt, gefällt auch dem Sohn, wer ruft da "Das ist doch berechenbar?"
Alles kommt wieder, hört man oft wenn es um Mode geht und tatsächlich. Warum heben wir dann nicht alles auf, weil das spiesig ist, genau, und wer will schon spiesig sein.
Halt, wenn keiner spiesig sein will, dann wäre diese Schublade wohl leer und wenn sie leer wäre und ich mich entschliesse spiesig zu sein, wäre ich dann nicht die einzig wirkliche Individualistin?
Individuell und allein?
Ein Ding hat immer zwei Seiten, wußte meine Großmutter schon zu sagen.
Wenn ich mir die Menschen in der Stadt anschaue, dann ist jeder ein Unikat und ganz schön allein. Es ist als ob den Blick des Anderen zu treffen eine ernste Gefahr bedeutet, etwas von sich preis zu geben. Von dem kostbaren Kern, den jeder mit sich herumträgt und der beschützt werden muss, als könne er aufgebraucht werden, abgenutzt.
Oft denke ich, wenn mich wieder einmal jemand so übersieht, dass es nur ein Zufall ist, dass wir keine Freunde sind. Nur ein Zufall, dass wir nicht miteinander redent in einem Kaffe sitzen. Nur ein Zufall das wir keine Kollegen sind.
Nur ein Zufall das ich heute nicht blind bin. Nur ein Zufall das ich heute in menschenfreundlicher Laune bin. Nur ein Zufall das ich bin.

© Ilona Düerkop

Kommentar schreiben

Mehr über dieses Thema auch unter Selbsterfindung oder Selbstfindung [hier klicken]