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Blätterkrokant
 

Nach meinem Erwachen bemerkte ich, dass ich aus Blätterkrokant bestand. Ich konnte mich zwar bewegen wie am Tage zuvor, aber jede Bewegung fühlte sich zerbrechlich an, als ob eines meiner Gliedmaße abfallen könnte. Ebenso unangenehm war die Tatsache, dass Krokantkrümel von mir abfielen, das Bett war übersät davon. Ich fühlte mich weniger werdend.

Als ich beim Aufstehen begann, meine Füße mit meinem Gewicht zu belasten, nebenbei bemerkt fühlte ich mich erstaunlich leicht, zerbrachen sie unter der Last.

Ich schrie um Hilfe, obwohl ich wusste, dass mich niemand hören konnte. Gegen Abend erst würde meine Frau nach Hause kommen.

Der Tag wurde wärmer und der Krokant weicher, die Angst mich zu bewegen wurde größer. Wie konnte die Bewegung überhaupt stattfinden, was war das verbindende Glied? An meinen zerbrochenen Füßen konnte ich sehen, dass ich auch innen aus Blätterkrokant bestand. Behutsam hob ich einen Arm, um in meine Achselhöhle schauen zu können. Mit Erstaunen sah ich, dass die Verbindung zwischen Torso und Arm aus einem komplexen System abgerollter Lakritzschnecken bestand. Ich blickte an meinen Beinen herab und sah auch dort, wo meine Füße gewesen waren, Lakritzschnecken. Sie gehorchten meinem Willen.

Ich kotzte reines Blätterkrokant neben das Bett, dabei brach der rechte Unterarm und Ellenbogen ab. Das Lakritzschneckensehnensystem kam deutlich zum Vorschein.

Die Hülle musste weg, ich klopfte den Blätterkrokant von den Händen und riss es mir in großen Brocken vom Leib, bis ich ganz davon befreit war. Ich tastete meinen Kopf ab, hatte aber kein Gefühl in meinen Händen. Ich ging zum Spiegel, zögerte und trat davor. Mein Kopf war noch von Blätterkrokant bedeckt, meine Augen waren Bonbons, meine Ohren Dominosteine, meine Nase eine Zuckerschnecke, mein Mund eine dunkle Blätterkrokanthöhle, das Lakritzgeflecht war mein Leib, keine inneren Organe zu sehen.

Vorsichtig brach ich den Blätterkrokant von meinem Kopf ab. Mein Gehirn war ein Vanillepudding in einem Gefrierbeutel, von Lakritzschnecken zusammengehalten.

Neben mir hörte ich den Schlüssel im Schloss der Wohnungstür, meine Frau betrat die Wohnung. Schlecht sähe ich aus, irgendwie krank. Ich gehöre ins Bett, sagte sie, zog ihren Mantel aus und ließ mich im Flur stehen. Ja, versuchte ich zu sagen, legte mich ins Bett, das immer noch mit Blätterkrokantbrocken und Krümeln übersät war, und deckte mich zu.

Hoffentlich zersticht nicht einer der Nusssplitter meinen Gefrierbeutel, dachte ich und schlief ein.

© Ansgar Oberholz

Ansgar Oberholz
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