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Ein Erfurter Unternehmer
produziert Bratwürste in Hanoi –
mit ungeahntem
Erfolg / von Christian Tenbrock*
Am Anfang briet Michael
Caponi selbst. Stellte sich persönlich hinter den Rost im Biergaten
an der Vu Ngoc Phan, verteilte seine Würste schon mal umsonst. Fiel
auf zwischen den kleinen und schalten Asiaten: wegen seiner Metzgerkleidung,
seiner breiten Schultern, seiner Körpergröße von fast zwei
Metern. Aber vor allem wegen seines Grillguts. Xú xich heißt
es auf Vietnamesisch. Auf Deutsch: Thüringer Bratwurst.
Campioni gab Hanoi
die Wurst. Und „eine“ Vision: Wurst auf jeden vietnamesischen Teller, Wurst
in jeden vietnamesischen Topf“. Die passenden Rezepte verteilt er gleich
mit: Tiroler Wurstpfanne zum Beispiel (Trúng dúc xúc
xich ki?u Tirol), italienischer Salat mit Wurst (Salat tao ki?u Italia)
oder, ganz schlicht: Bratwurst mit Kartoffeln (Xúc xich nuong voi
rau). Das alles in einm Land, das unter den Reisexporteuren die Nummer
zwei der Welt ist und dessen Menschen Nudeslsuppe schon zum Frühstück
essen.
Rund 100. 000 Würste
verkaufen Camponi und sein vietnamesischer Partner inzwischen pro Monat.
Vor allem in den Biergärten erfreuen sie sich, mit Pommes und Thüringer
Senf, wachsender Beliebtheit. Aber auch in 120 Läden und Supermärkten
allein in Hanoi werden die Würste abgesetzt, demnächst auch in
einem eigenen Fleischfachgeschäft – dem Ersten in ganz Vietnam. Alle
pruduzieren in einer eigenen Fabrik, zu der man sich durchfragen muss (eine
halbe Stunde Taxifahrt vom Stadtzentrum, hinter einem Wohnviertel, am Ende
eines in der Regenzeit oft überfluteten Feldwegs) und die, sagt Campioni
mit Stolz, „europäischen Hygienestandards genügt“.
Der Deutsche, nach
eigener Einschätzung „ein Macher, keon Unterlasser“, begann seine
Unternehmerkarriere mit Wasserflöhen. Ab 1986 – vor dem Fall der Mauer
– importierte er die getrockneten Daphnen aus der Sowjetunion, um sie als
Fischfutter an DDR-Aquarienbesitzer zu verkaufen. Dann brach das Sowjetreich
zusammen, der Westen überschwemmte den Osten mit seinen Produkten.
Auch mit Wasserflöhen, die die Ostler fortan lieber wollten, weil
ihre Qualität angeblich besser war als die der Flöhe aus dem
ehemaligen sozialistischen Bruderreich. Das stimmte zwar nicht, aber Campioni
sattelte um. In der Baubranche machte er fortan gutes Geld.
Michael Campioni, Hausmeister der DDR-Botschaft in Vietnam
Als Bauunternehmer
wollte er auch nach Vietnam. 1975, der Krieg ging damals gerade zu Ende,
hatte Campioni das Land als Hausmeister der DDR-Botschaft kennen und lieben
gelernt. 15 Jahre später verschrieben die Regenten in Hanoi der straff
gelenkten Planwirtschaft den Markt; heute brummt die Ökonomie, im
jüngsten der kleinen Tiger Asiens herrscht Aufbruchstimmung, und Campioni
dachte, die Vietnamesen könnten Türen und Fenster ganz gut brauchen.
Ende der Neunziger suchte er nach Partnern für den Aufbau einer Produktion,
doch das Geschäft floppte, bevor es begann. „Tief frustriert“ sei
er damals gewesen, sagt der 54-Jährige.
Dann kam die Idee
mit den Würsten. Kurz vor dem Rückflug nach Hause, i, Gespräch
mit dem alten Bekannten Mai Huy Tan, einem in Vietnam und Deutschland ausgebildeten
Doktor der Mathematik. Der mit Unternehmensberatung und Büros in Hanoi
zu Wohlstand gekommen war. Campioni erinnerte sich daran, dass aus der
DDR heimgekehrte Überseevietnamesen immer wieder nach Thüringer
Würstchen fragten. „Das reichte“, meint der Deutsche. „Das wars“,
sagt Mai. Der kleine, umtriebige Vietnamese und der große Mann aus
Erfurt waren im Geschäft.
Und wie schnell es
ging: Campioni fuhr nach Hause, machte einen Crashkurs als Metzger, kaufte
die Maschinen, verschiffte sie nach Hanoi. Mai, als ehemaliger Angehöriger
der Ministerialbürokratie bewandert auf den Korridoren der Behörden,
besorgte Genehmigungen und mietete eine kleine Halle. Ein deutscher Fleischermeister
bildete Vietnamesen in der Kunst des Wurstmachens aus; die ersten Schweinehälften
wurden angeliefert; die Pelle kam wegen der komplizierten Importbestimmungen
über Hamburg aus China; die Produktion begann. Nur acht Wochen nach
ihrem Geistesblitz bissen Mai und Campioni in ihre erste eigene Wurst.
Inzwischen beschäftigt
die Firma Duc Viet 20 Angestellt, die rund 75 Euro im Monat verdienen –
mehr als ein Lehrer an einer Hanoier Schule. In der Fabrik herrscht ziemliche
Enge. Noch reicht es, die Maschinen schaffen über 200 000 Würste
pro Monat. Mit den 100 000, die zuletzt abgesetzt wurden, hat man die Gewinnschwelle
erreicht. „Jetzt wird es täglich mehr“, sagt Mai und das bietet Gelegenheit,
Gutes zu tun: Fleisch und Knochenreste werden kostenlos an Hanoier Krankenhäuser
verteilt, die daraus Suppe für ihre Patienten machen; auf dem nächsten
Weihnachtsbasar der deutschen Botschaft soll der Erlös aus dem Wurstverkauf
vietnamesischen Waisenkindern zugute kommen.
Sechs Goldmedaillen
erhielt Duc Viet bei Nahrungsmittelmessen in der vietnamesischen Hauptstadt.
Kleine Schnellimbiss-Stände bauten die Firmenstrategen sogar vor Hanoier
Schulen auf; an die Schüler werden Aufkleber verteilt, die auch den
Eltern auffallen sollen. Nun will man die Würste auch in anderen Städten
Vietnams so richtig bekannt machen. In Da Nang, auf halber Strecke ins
über 1700 Straßenkilometer entfernte Saigon, gibt es sie schon.
Auch in den Saigoner Metro-Markt lässt die Firma wöchentlich
zwei Kisten fliegen. Besser wäre es, meint Campioni, ein oder zwei
Kühllastwagen zu kaufen, die den Transport billiger machen und entlang
des Weges Läden, Supermärkte und Restaurants beliefern könnten.
Vielleicht gebrauchte aus Korea, das ohnehin die allermeisten Busse und
Lkw für Vietnams Straßen liefert.
Aufwiedersehen, Fleischer an der Ecke
Mai träumt von
Größerem, davon nämlich, einen Schlachthof zu bauen. Für
dieses Projekt gründete Campioni im Erfurt gerade eine Beteiligungsgesellschaft.
In einem Joint Venture wollen die beiden nun zunächst mit einem staatlichen
Schlachthof in Hanoi zusammengehen, der auf 300 Schweine am Tag ausgelegt
ist, aber gerade mal 10 zerlegt. Damit es mehr werden, müssten sich
„die Kauf- und Fleischgewohnheiten der Vietnamesen ändern“, meint
Campioni. Will sagen: Nicht mehr beim Fleischer an der Ecke, der seine
Ware grob zerhackt anbietet, sollen die Kunden künftig kaufen, sondern
im Laden an der Wurst- und Fleischtheke. Der von Duc Viet.
Damit das klappt,
hat die Firma ihr Sortiment erweitert. Neben den Bratwürsten gibt
es Bockwürste und scharf gewürzte Biergartenwürste, Leberkäse,
Bierschinken und etwa zehn weitere Sorten teutonischen Wurstguts. Campionis
qurliger Partner Mai ist unterdessen nocht mehr nur ein Fan deutscher und
europäischer Kochkunst, sondern auch der Hochkultur. Mit eigenem und
gesponsertem Geld hat der Vietnamese ein Liederbuch mit einer Sammlung
bekannter deutscher Lieder mit vietnamesischen Texten herausgegeben („Muss
I denn ...“). Außerdem hat Mai gebaut. Sein Haus in Hanoi Westsee
in dem Invalidendom in Paris nachempfunden. Die Kuppel hat er mit Motiven
aus der Sixtinischen Kapelle ausmalen lassen.
©
Christian Tenbrock
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* Ich bedanke mich bei Christian Tenbrock, für die Genehmigung seinen Artikel in den Salon zu stellen. Weiter gilt mein Dank auch Ruth Viebrock die den Kontakt überhaupt erst hergestellt hat! Vielen Dank!