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Meine Neugier 

Meine Neugier, die ausgewanderte, ist zurückgekehrt.
Mit blanken Augen spaziert sie wieder
Auf der Seite des Lebens.
Salve, sagt sie, freundliches Schiefgesicht,
Zweijährige Stimme, unschuldig wie ein Veilchen,
Grünohren, Wangen wie Fischhaut, Tausendschön
Alles begrüßt sie, das Hässliche und das Schöne.

Gerade als hätte ich nicht schon längst genug,
Holt sie mir meinen Teil, meinen Löwenanteil,
An dem, was geschieht, aus Häusern,
die mich nichts angehen.
Ein Ohr soll ich haben für jeden Untergang
Und Augen für jede Gewalttat.

Die schönste Abendröte kommt dagegen nicht auf,
Die zartesten Gräser sind machtlos.
Wie sehne ich mich nach der Zeit, als sie nichts zu
Bestimmen hatte,
Als ich hintrieb ruhig im Kielwasser des Todes.
In den milchigen Strudeln der Träume.

Vergeblich jag ich sie fort, meine Peinigerin.
Da ist sie wieder, trottet und hüpft,
Streift mich mit ihrem Hündinnenatem.

Vergeblich beklage ich mich.
Was für ein schreckliches Lärmen,
Was für ein Gelauf und Geläute,
Was für eine Stimme, die aus mir selber kommt,
Spottdrosselstimme, und sagt,
Was willst du, du lebst.

© Marie Luise Kaschnitz
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