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Alexandra David-Neel, so wie ich sie mir am Liebsten ins Gedächtnis hole. Unterwegs in Tibet. Alexandra David-Neel führte schon am Anfang des 20. Jahrhunderts ein Leben, von dem wir heute nicht einmal zu träumen wagen: Aus den "paar Monaten", die sie in Asien verbringen wollte, wurden 14 Jahre, in denen sie in Indien und Tibet - verkleidet als bettelarme Pilgerin mit rußgeschwärztem Gesicht - allein und mit ihrem treuen Begleiter Yongden (ein Rotmützen Lama), zu Fuß erforschte. 
Sie war die erste weiße Frau, die jemals die heilige Stadt Lahasa bertat. Auch heute ist Lahasa vieln noch als verbotene Stadt im Gedächtnis.
Mit ihren Erinnerungen erweckt sie das alte, geheimnsivolle Tibet, das es nach über fünfzig Jahren chinesischer Besatzung nicht mehr gibt, zu neuem Leben.
In ihrem Tagebuch Blick sie zurück auf ihr Leben, das sie kurz vor ihrem 101. Geburtstag verließ, sie schreibt rückblickent: "Mein Leben, ein einziger langer Traum vom Reisen war."
Auch im hohen Alter von 100 Jahren versäumt sie es nicht, ihren Reisepass rechtzeitig zu verlängern.

Luise Eugénie Alexandra Marie David kam am 24. Oktober 1868 in Saint-Mandé bei Paris als Kind auf die Welt, mit dem niemand mehr gerechnet hatte.
14 Jahre war die Ehe des Paares David kinderlos geblieben. Als Alexandra geboren wurde, war ihre Mutter 36 und ihr Vater bereits 56 Jahre alt.
Eigentlich hatte sich Madame David einen Jungen, einen künftigen Priester, gwünscht. Während der Schwangerschaft liest sie die Abenteurreomane James Fenimore Coopers, kaum ahnend, dass das Kind unter ihrem Herzen zwar ein Mädchen sein, aber die Leistungen von Coopers Helden in der Wildnis noch in den Schatten stellen wird.
copyright Alexandra David-Neel Cultural CenterKein Wunder, dass die kleine Nini, die zwischen zwei Wesen heranwächst, die sich fremd sind und bleiben, nur an Flucht denkt. Mit zwei Jahren – der Vater ist im Zuge der Generalamnestie nach Frankreich zurückgekehrt, und die Familie lebt in der Nähe von Paris – will sie wissen, was hinter der Strasse liegt, die vor dem Haus der Großmutter zum Horizont führt. „Ich konnte schon laufen, bevor ich richtig gehen konnte.“, kommentiert sie später ihren ersten Ausreißversuch.
Bald drauf stellt sie andere, für ihr _Alter ziemlich ungewöhnliche Überlegungen an: „Man tut den Grashalmen weh, wenn man über den Rasen geht“, sagt sie, und wenn ihr etwas besonders gut gefällt, ein Baum, eine Blume, ein Sonnenstrahl, dann ist es „so schön, dass es Gott sein muss“.
Diese pantheistische Art, die Dinge beseelt zu sehen und die Schöpfung überall zu erkennen, wird sie zeitlebens beibehalten und im animistischen Bön-Kult, der Urrelgion Tibets, wiederfinden.
Auf einem Atlas, den ihr der Vater schenkt, entdeckt die kleine Mini ein Land, das sie, zunächst wahrscheinlich allein seiner Größe, mehr fasziniert als alle anderen: China. Die Begeisterung, die Alexandra von nun an für alles Asiatische aufbringt, veranlasst ihren Vater zu der amüsierten Bemerkung: „Meine Tochter hat eine weiße Haut, aber eine gelbe Seele.“ Alexandra ist vier als die Familie erneut Nachwuchs bekommt, diesmal einen Jungen, der die ganze Aufmerksamkeit der Mutter erhält, dich schon nach einigen Monaten wieder stirbt. Als er tot ist, konstatiert die kleine Nini nicht ohne Genugtuung: „Jetzt gehört alles wieder mir.“
Später wird sie ihre Kindheit und Jugend so kommentieren:
„Alle meine Reisen, besonders die in unerforschte und „Verbotene“ Regionen, waren –beinahe zwanghaft Betriebene – Traumverwirklichungen. Anders kann ich es nihct ausdrücken. Schon von meinem fünften Lebensjahr an, als frühreifes kleines Ding in Paris, sehnte ich mich über die Grenzen, in denen ich wie alle Kinder meines Alters, gehalten wurde, hinaus. Damals gingen meine Wünsche, über die Gartenpforte hinweg, auf die daran vorbeiführende Straße und hinaus in die unbekannte Ferne. Aber wunderlich genug, bestand dieses Unbekannte für mein Kindergemüt immer nur aus einem einsamen Fleck Erde, wo ich allein und ungestört hausen wollte, und da der Weg dahin mir nun einmal verschlossen war, suchte ich die Einsamkeit hinter jedem beliebigen Busch oder Sandhaufen im Garten. Später erbat ich von meinen Eltern nie andere Geschenke als Reisebeschreibungen, Landkarten und als höchstes Glück, Ferienreisen ins Ausland. Als junges Mädchen konnte ich mich stundenlang in der Nähe der Eisenbahnlinien aufhalten, wie magisch gefesselt von den glänzenden Schienensträngen und der Vorstellung der vielen Länder, wohin sie führten. Allein, wiederum zauberte mir die Phantasie nicht Städte, Gebäude, glänzende Feste oder eine bunte Volksmenge vor: nein, ich träumte von wilden Bergen, von riesigen verlassenen Steppen und unzugänglichen Gletscherlandschaften!“

Die Erbschaft einer Patentante bringt Alexandra 1891 in einen kurzen Gewissenskonflikt. Soll sie, wie die Eltern vorschlagen. Das Geld bei einer Bank anlegen und damit ihrer fragwürdigen Existenz einer dreiundzwanzigjährigen Orientalistik-Studentin im Paris des Fin de siécle eine gewisse Grundlage geben, oder soll sie das Geld verwenden, um dorthin zu gelangen, wo es sie seit geraumer Zeit hinzieht?
Alexandra raucht die erste und einzige Haschich-Zigarette ihres Lebens, und anschließend ist ihr Entschluss gefasst:
Von Marseille aus schifft sie sich nach Ceylon ein. Um das neue Lebenskapitel mit der nötigen Klarheit zu beginnen, nimmt sie am ersten Abend der Reise keine Nahrung zu sich und verbringt die Nacht an Deck unter freiem Himmel, allein mit sich und den Sternen.
Von ihrem ersten Aufenthalt in Indien ist wenig bekannt, außer, dass sie in Madras bei der Theosophischen Gesellschaft unterkommt und in Benares ihren ersten Meister, den Svami Bashkarananda, einen alten Asketen, der nackt in einem Rosengarten lebt, kennenlernt.
Die Erbschaft ist nach etwa 18 Monaten aufgebraucht und Alexandra, die nicht auf Unterstützung ihres Elternhauses rechnen kann, muss neue Wege finden um an Geld zu kommen. Sie erinnert sich an ihre Klavierkenntnisse und ihrer klangvollen Stimme. Sie nimmt  zwei Jahre lang Gesangsunterricht und begibt sich als Opernsängerin auf Tournee. Zuerst in Frankreich, auf kleinen Bühnen, dann später auch in Hanoi und Indochina. Alexandra ist wieder dort wo sie sein möchte und feiert Erfolge in, Hanoi, Haiphong, Saigon, Tongking,  und Hué. Sie brilliert als Manon, Carmen, Mirelle und Margarethe.
Alexandras Opernkarriere dauert ganze fünf Jahre, bis 1904.
Sie ist 36 Jahre alt, als sie Philippe Neel heiratet. Mit 43 ist er noch Jungeselle und stammt aus einer alten Französischen Methodistenfamilie.
Die asketische Feministin und der Schürzenjäger mit dem Gebaren eines englischen Lords haben mit Ausnahme der Musik, keine gemeinsamen Interessen, und wenn Alexandra versucht, Philippe in die Welt ihrer Gedanken einzuweihen, stößt sie meist auf Unverständnis.
„Am Anfang unserer Verbindung, wenn ich versuchte, dir von Philosophie oder Soziologie zu erzählen, hast du dich entweder geärgert oder du hast mir die Beine gestreichelt, während ich sprach“, wirft sie ihm später einmal vor.
copyright Alexandra David-Neel Cultural CenterIn den Jahren 1900-1904 führt sie nicht nur ein Doppelleben als künstlerische Leiterin des Casinos von Tunis bei Tag und Geliebte Philippes bei Nacht, sie reist auch immer wieder aufs europäische Festland, um sich dort bald als Journalistin und Vortragsrednerin einen Namen zu machen.
Sie spricht vor fachkundigem Publikum wie der Anthropologischen Gesellschaft in Paris über „Das körperliche Training in Yoga-Sekten“ und schreibt über religionsphilosophische Themen wie „Über den Ursprung der Mythen und ihren Einfluss auf die sozialen Institutionen“. Sie veröffentlicht in renommierten Blättern wie in Georges Clemenceaus Mercure de France Aufsätze über „Relgionen und Aberglauben in Korea“ oder „Der tibetische Klerus und seine Gesetze“ und kämpft mit feministischen Artikeln in Le Soir und La Fronde für die Rechte der Frau.
Am 4. August 1904 heiratet Alexandra David, Philippe Neel.
Es wird eine merkwürdige Ehe, eine, die hauptsächlich auf dem Papier besteht. Papier im doppelten Sinne, denn Alexandra wird in den nächsten 38 Jahren mehr als 3.000 Briefe an Philippe schreiben.
Schon einen Monat nach der Hochzeit, trennt sich das junge Paar. Aus Paris schreibt sie ihm am 17. September: „Aber ich habe es dir ja gleich gesagt: Ich bin nicht hübsch, bin nicht fröhlich, bin dir keine Frau, und es ist nicht vergnüglich an meiner Seite . . . Warum warst du nur so beharrlich, so starrköpfig?“
Kurz darauf, am 3. Oktober, wird sie noch deutlicher:
„Wir haben zweifellos eine einmalige Ehe geschlossen; wir haben eher aus Bosheit als aus Zärtlichkeit geheiratet. Das war sicher eine Torheit, aber es ist nun einmal geschehen. Es wäre klug, unser Leben entsprechend einzurichten, wie es zu Leuten unserer Veranlagung passt. Du bist nicht der Mann meiner Träume, und ich bin wahrscheinlich noch weniger die Frau, die du brauchst.“
Mit einem Forschungsauftrag des französischen Erziehungministeriums in der Tasche verabschiedet sich Alexandra am 9. August 1911 im Hafen von Bizerte von Philippe, um zu einer Studienreise über die Vedanta-Philosophie nach Indien und Cyleon aufzubrechen. Aus den paar Monaten, die sie fortbleiben will, werden 14 Jahre.
Schon bald meldet sie sich begeistert aus Indien: „Es scheint, als ob ein guter Geist vor mir hergeht, um mir alle Türen zu öffnen und alle Dinge zu vereinfachen.“ Wer immer dieser Geist sein mag, er führt Alexandra David Néel auf wundersame Wege. Ob in den schillernden Palästen der Maharadschas von Nepal und Sikkim oder im Kreis halbnackter Saddhus in düsteren Hindu-Tempeln, überall ist man beeindruckt von der kritischen Inteligenz der alleinreisenden Dame aus Paris, die alles ganz genau wissen will und sehr wohl zwischen heilig und scheinheilig unterscheiden kann. Selbst seine Heiligkeit der 13. Dalai Lama, Gottkönig der Tibeter und im April 1912 gerade auf dem Rückweg aus indischem Exil nach Lahasa, zeigt sich so entzückt von seiner ersten Begegnung mit dieser Frau, dass er ihr zum Abschied nachruft: „Lernen sie tibetisch!“
Alexandra folgt der Aufforderung mit der ihr eigenen Gründlichkeit: Für mehr als zwei Jahre zieht sie sich in eine Einsiedelei in 3.900 Metern Höhe an der Grenze zwischen Nord-Sikkim und Tibet zurück.  Dort oben, in der „Schneewohnung“ (Himalaja), hat sie ihren Lehrer, ihren Meister gefunden. Ein weithin gerühmter Eremit ist bereit, seine selbstgewählte Einsamkeitsperiode von drei Jahren, drei Monaten und drei Tagen zu unterbrechen und die wissbegierige Französin zu unterweisen.
Umgeben von mächtigen Siebentausendern, lernt Alexandra nicht nur fließend tibetisch zu sprechen, sie studiert auch die Schriften tibetischer Mystiker. Zwei Winter kommen und gehen. Von ihrem Adlerhorst auf dem Dach der Welt erscheint Alexandra der weit unten vorbeiziehende Erste Weltkrieg „wie ein Kampf zwischen Ameisenarmeen“.
1916 wird Alexandra David-Néel ausgewiesen, vom britischen Regierungsvertreter Sir Charles Bell. Trotz strikten Verbots ihre Ermitage zu verlassen, hatte Alexandra in vier Tagesmärchen die westtibetische Klosteruniversität bei Schigatse besucht.

Der Weg von Südwesten nach Zentral-Tibet bleibt ihr von nun an verschlossen. Aber das „unsinnige Verbot“, Lhasa zu betreten, stachelt sie jetzt erst recht an. Sie wird es dann eben von Nordosten versuchen, über einen „kleinen Umweg“, der gut neun Jahre dauert.
Mit Bahn, Schiff, Pferd und Jak-Karawane gelangt sie über Indien, Japan, Korea und quer durch die aufständischen Provinzen Westchinas schließlich 1918 nach Kum-Bum. Dort bleibt sie weitere drei Jahre.
Alexandra David-Néel ist 52 Jahre alt und guter Dinge, als sie im Februar 1921 die von Seuchen und Bürgerkrieg gebeutelte Klosterstadt am Rande der Grassteppe verlässt. Sie hat keine feste Route, wohl aber ein Ziel: Lhasa, die verbotene Stadt.
Die Reise dort hin, ist das Abenteuer ihres Lebens, wie sie selbst es später bezeichnen wird.

Sie schreibt darüber in: „Mein Weg durch Himmel und Hölle“
Dem Vorwort von Thomas Wartmann verdanke ich viele wichtige Informationen und Worte.

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Weitere Bücher von Alexandra David-Néel:

Wanderer mit dem Wind. Reisetagebücher 1911 - 1917
Gebundene Ausgabe, 331 Seiten, Thiemann Stuttgart, ISBN 3522690028  EUR 22,90

Mönche und Strauchritter. Eine Tibetfahrt auf Schleichwegen
Gebundene Ausgabe, 335 Seiten, Nymhenburger München, ISBN 3485009067    EUR 22,90

Mein Leben auf dem Dach der Welt. Reisetagebuch 1918 - 1940
Gebundene Ausgabe, 414 Seiten, Nymphenburg München, ISBN 3485008117    EUR 19,90

Auf der Suche nach dem Licht
Broschiert, 245 Seiten, Piper München, ISBN 3492233392    EUR 8,90

Der Weg zur Erleuchtung
Broschiert, 250 Seiten, Aquamarin Verlag, ISBN 3894271876  EUR 15,80

Mein Indien
Broschiert, 287 Seiten, Droemersche Verlagsanstalt, ISBN 3426770024      EUR 7,90

Seiten über Alexandra David-Neel die mir ebenfalls sehr hilfreich waren:

http://home.t-online.de/home/d.g.p.meinhard/frauen/david-neel.html

http://www.alexandra-david-neel.org/anglais/biog.htm

http://www.esoteric.msu.edu/VolumeIII/HTML/Oldmeadow.html