14. November 2001
Studie über Osama bin Laden

DIE ZEIT Nr. 43
Literatur S.55

Prediger und Terrorist
von Prof. Petra Kappert

Kaum einen Monat nach den verheerenden Terroranschlägen auf New York und Washington bringt der Ullstein-Verlag bereits eine erste Studie heraus, die dem Thema Osama bin Laden und dem internationalen Terrorismus gewidmet ist. Die geschwinde Publikation von rund einhundert Seiten könnte übereilt erscheinen, stammte sie nicht aus der Feder zweier anerkannter Islam-Experten und Afghanistan-Kenner: Michael Pohly und Khalid Durán, denen man bereits mehrere einschlägige Darstellungen zum Thema Islam beziehungsweise Afghanistan verdankt.
     Über den ebenso rätselhaft wie furchteinflößend wirkenden saudischen Millionär und Islamisten Osama bin Laden ist in den letzten Wochen undendlich viel gemutmaßt und veröffentlicht worden. Die vorliegende kleine Studie bietet mehr, geht es doch in ihr nicht nur um die geheimnisumwitterte Persönlichkeit des selbst ernannten Gotteskriegers bin Laden, sondern auch um sein weit verzweigtes ideologisches und finanzielles Netzwerk. Die kenntnisreichen Autoren setzten zudem weiter oder näher zurücklliegende bestimmende Entwicklungstendezen in der islamischen Welt zueinander in Beziehung - verständlich dargestellt und ohne überflüssiges Faktenhuberei.
     Wir erfahren, dass bin Laden das 17. von 57 (nach manchen Quellen 52) Geschwistern ist und vier Frauen hat - eine von ihnen ist die Tochter seines afgahnischen Gastgebers Mullah Muhammad Omar, der ihn schon deswegen kaum des Landes verweisen dürfte. Aufschlussreicher ist es, dass die Autoren ihn nicht eigentlich als "Gottesgelehrten" mit einer abgeschlossenen theologischen Ausbildung gelten lassen, sondern eher als gelehrigen Autodidakten mit der Gabe eines suggestiven Predigers von "charismatischer Wirkung".
     Nützlich erscheint die Ausleuchtung von bin Ladens ideologischem Umfeld, seinen Mentoren und Weggefährten, die ihm theologisch-politisches Rüstzeug lieferten, während er ihnen mit seiner Finanzkraft großzügig zu Diensten war.
Auch wenn viele von den radikalen Vordenkern des mutmaßlichen Terroristenführers aus Ägypten stammten, so betonen die Autoren zu Recht, dass die Ziele bin Ladens keineswegs national oder auch nur arabisch orientiert wären. Er hat in vielen Ländern gelebt beziehungsweise "Asyl" vor seinen politischen Gegnern gefunden (darunter auch aus Saudi-Arabien, wo man ihm seine Staatsbürgerschaft aberkannte). Es wird ihm die Internationalisierung, ja die "Globalisierung" des Isalamismus bescheinigt, einer "globalen Kampffront", in der sich jeder aufgehoben fühlen sollte, dem es um die Befreiung des islamischen Welt von der "Unterjochung durch den Westen" ging. Ein entscheidender Schritt zu diesem Ziel war 1998 die Gründung seiner Internationalen Kampffront gegen Juden und Kreuzzügler, eines Dachverbands radikaler Islamisten, zu deren religiöser Verpflichtung unter anderem erklärt wurde, Amerikaner zu töten, wo immer möglich, einschließlich Zivilisten.
     Als hilfreich für so manche hierzulande eher ahnungslos geführte Diskussion dürften sich auch einige Begriffserklärungen erweisen, die in dem Buch vorgenommen werden: Dazu zählen etwa der Terminus "Dschihad" und sein wichtiger Bedeutungswandel, wie er sich in der jüngeren oslamischen Geschichte vollzogen hat. Haben Muslime diesen Begriff lange als "Selbstläuterung" und dann erst als "Krieg zur Verteidigung der Religionsfreiheit" verstanden wissen wollen, wuchs seit den siebziger Jahren eine Generation von Islamisten heran, die den Dschihad durchaus als Heiligen Krieg interpretiert, der der "Verbreitung des Glaubens und der Unterwerfung der Ungläubigen" dienen soll. Man bezeichnet sie auch als Dschihadisten, für die "Selbstläuterung und Selbstbezwingung", gleichbedeutend mit "Selbstaufgabe" im Sinne von Märtyrertod und Gewalt gegen andere und sich selbst, angestrebt werden.
Manifestation dieser Interpretation sind die Bekenntnisse der Selbstmordattentäter von New York und Washington und spätere Äußerungen bin Ladens in Afghanistan.
Die Autoren vermeiden Polemik und vordergründige Prognosen zur weiteren Entwicklung des internationalen Terrorismus. Sie ergänzen ihre Darstellung mit einer Zeittafel zu Afghanistan und einer Liste weiterführender Literatur zum Thema. Der interessierte Leser wird all dies nützlich finden.

© 2001Prof. Petra Kappert
 
 
Michael Pohly, Khalid Durán: Osama bin Laden und der internationale Terrorismus
Vorwort von Rolf Tophoven; Ullstein Taschenbuch Verlag, München 2001;
112 S., 13,59 DM

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