19. August 2001
Der Autor und sein Ich

"Wie klein und jämmerlich ist ein Autor, wenn er nur selbst erlebtes schreiben kann."

Die Betonung liegt auf dem "nur", denn ein Autor der immer nur von sich selbst ausgeht ist nicht in der Lage einen Roman mit verschiedenen Charaktären zu schreiben, da die Charaktere als Einezelne nicht überzeugen können, weil sie zwangsläufig einander ähnlich sein müssen.
Einem solchen Autor wird es auch nur schwerlich möglich sein, einen Roman mit lebendigen Menschen zu schaffen. Ein guter Roman ist doch auch einer, bei dessen Lektüre man vergisst das man liest und die Menschen leben als Schatten, eine leseweile, mit uns mit.
Reich ist unser Alltag doch erst durch die Unterscheidung zwischen den Menschen, die uns umgeben, dass fängt beim Äusseren an und hört im Inneren auf, derselbe Reichtum sollte sich auch in einem guten Roman wiederspiegeln. Wäre der Autor immer nur auf sich selbst zurückzuwerfen, dann wäre sein gesammt Werk eine lückenlose Biographie. Es würde keinem Autor gelingen einen überzeugenden Mörder zu schaffen, mit dem der Leser Mitleid haben kann, oder dessen baldige Festnahme Befriedigung erzeugt.
Ganz davon abgesehen müsste der Autor erst selbst zum Mörder werden, um einen Mörder überzeugend beleben zu können.
Nicht jede Empfindung muss selbst durchlebt sein. Mitleid wird zur wichtigen Fähigkeit und zwar im wörtlichen Sinne, "mit leiden". Von emotionaler Intelligenz und Empathie ist viel die Rede gewesen, Werkzeuge eines Autors, so wie der Maler Pinsel und Leinwand braucht.
Eine gute Beschreibung lebt von der Gabe eines Autors, eine Landschaft neu zu sehen, einen Gegenstand in seinem ganzen Sein zu erfassen und auch vertrautes so zu schildern als sähe er es zum ersten Mal. Aus sich heraustreten zu können wird zur wichtigen Aufgabe, sich soweit zu öffnen das, ähnlich eines Schauspielers, ein fremder Charakter oder eine Empfindung abgerufen werden kann, um sie schreiben zu können.
Der Leser darf eine Erzählung, oder einen Protagonisten im Roman, für identisch mit dem Autor halten, stark biographisch, dem Autor hingegen ist dies äusserst lästig.
Anders geht es dem Lyriker, dessen Dreh- und Angelpunkt das Ich ist. Er selbst der Mittelpunkt um den sein Werk kreist, wenn er die Natur beschreibt, dann ist sie mit seinen Augen gesehen und durch ihn hindurch geleitet.
 

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© 2001 Ilona Duerkop